Warum eine Alternative zum Wahl-o-mat?



Die Idee dazu entstand als wir den Wahl-o-mat der Bundeszentrale für politische Bildung spielten. Bei vielen der Thesen war uns, bei gefühlt relativ gutem politischen Vorwissen, auf Anhieb nicht klar, welche konkreten Auswirkungen in der Realität eine Befürwortung oder Ablehnung einer These haben könnte. Uns fehlte einfach das Hintergrundwissen dazu, sodass man bei diesen Thesen versucht war, allein anhand eines vagen Bauchgefühls zu entscheiden. Wir überlegten, dass es doch möglich sein müsste, einen Wahl-o-mat zu konzipieren, der während der Beantwortung der Thesen auch gleichzeitig über die Themen informiert.

Das war die Initialzündung. Als wir uns daraufhin näher mit der Funktionsweise und den Eigenheiten des Wahl-o-mat beschäftigten, wurde immer klarer, dass es noch einige weitere kritikwürdige Punkte gibt.

Im folgenden haben wir die wichtigsten Kritikpunkte aufgeführt:

  • Fehlende Infos zu den Themen

  • Kleine & unbekannte Parteien werden massiv benachteiligt

Denn nur immer 8 der Parteien können miteinander verglichen werden.
Dies ist keine technische Schwierigkeit sondern Absicht und wird in den FAQ (Frequently Asked Questions) des Wahl-o-mats auf höchst widersprüchliche und umständliche Weise mit einer 'möglichst übersichtlich[en]' Darstellung der Ergebnisse begründet. Angeblich soll es vorteilhaft sein, jeweils immer nur 8 der Parteien zum Vergleich auszuwählen und dann die nächsten 8. Ein ernsthafter Überblick entsteht dadurch nicht und es stellt sich auch die Frage wie viele Nutzer dies tatsächlich tun. Viele der Nutzer werden bevorzugt zunächst Parteien zum Vergleich auswählen, die schon im Bundestag vertreten oder relativ bekannt sind. Dadurch kann es dazu kommen, dass eine Partei mit der man die meisten Übereinstimmungen hat im Ergebnis gar nicht auftaucht. Auf diese Weise werden kleine und weniger bekannte Parteien stark benachteiligt. Gerade für junge Wähler, die mit diesem Angebot angesprochen werden sollen und sich in der Parteienlandschaft noch nicht umfassend auskennen, stellt dies eine erhebliche Einschränkung dar.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der Wahl-o-mat über Jahre allen Parteien, die nicht im jeweiligen Parlament vertreten waren, die Teilnahme verweigerte. Erst durch eine Klage der ÖDP im Jahr 2008 wurde der Wahl-o-mat gerichtlich gezwungen , auch kleinere Parteien teilnehmen zu lassen. Und auch jetzt noch schließt er alle Parteien aus , die lediglich Direktkandidaten und keine Landeslisten haben. Das bedeutet, dass zur Bundestagswahl 2017 folgende 9 Parteien ausgeschlossen sind: 'Die VIOLETTEN', die 'Mieterpartei', 'Neue Liberale', 'UNABHÄNGIGE', 'Bündnis C', 'Neue Liberale', 'DIE EINHEIT', 'FAMILIE' sowie 'DIE FRAUEN'.

  • Es herrscht eine hohe Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Gleich zu Beginn distanziert sich der Wahl-o-mat von sich selbst, indem gesagt wird: 'Der Wahl-o-mat ist keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik'. Während man den Wahl-o-mat spielt, werden jedoch keine Informationen angeboten (nur externe Verweise darauf) und am Ende wird die Höhe der Übereinstimmung mit den Parteien angezeigt, was schwerlich nicht als Wahlempfehlung zu verstehen ist. Hier steht der Anspruch, keine Wahlempfehlung zu sein und deren Wahrnehmung durch den Nutzer in deutlichem Gegensatz. Wie auch der formulierte Informationsanspruch des Wahl-o-maten nicht im geringsten erfüllt wird.

  • Die undifferenzierten Antwortmöglichkeiten

Es kann nur mit „Dafür“, „Dagegen“ und „Neutral“ beantwortet werden.

  • Die Auswahl der Fragen

verlieren sich zum Teil im 'klein-klein' der Tagespolitik und haben zu wenig den Fokus auf gesellschaftlich weitreichendere Themengebiete.


Wenn auch die wenigsten Benutzer das Ergebnis des Wahl-o-mat & Co direkt in eine Wahlentscheidung umsetzen, wird es doch von den meisten als Wahlempfehlung wahrgenommen, im Hinterkopf natürlich, dass dies eine Art Computerspiel ist und nicht der Weisheit letzter Schluss.
Aus diesem Grund sollte sich eine Wahlentscheidungshilfe seiner Verantwortung bewusst sein und höheren Ansprüchen an Ernsthaftigkeit und Wissenschaftlichkeit genügen als dies beim Wahl-o-mat der Fall ist.

Deshalb haben wir eine neue Wahlentscheidungshilfe konzipiert, die:

  • zusätzliche Informationen z.B. eingebettet in Pro & Contra Argumenten liefert, um eine informiertere Entscheidung zu ermöglichen und um auf die Thesen nicht nur gefühlsmäßig anhand angesprochener Stereotype zu reagieren

  • Begriffserklärungen liefert

  • versucht, Schwarz-Weiß-Denken zu vermeiden, indem es die Möglichkeit gibt, differenzierter als mit „ja“ vs. „nein“ zu Antworten

  • den übersichtlichen und gleichberechtigten Vergleich aller Parteien ermöglicht

  • durch eine mehrdimensionale Betrachtung von Politik und einer Berechnung des Ergebnisses aus mehreren Faktoren ein wesentlich differenzierteres Ergebnis liefert.

  • ein Pausieren ermöglicht. Beim erneuten Aufruf der Webseite kann man nahtlos weitermachen bzw. seine letzten Ergebnisse angezeigt bekommen

Unsere Wahlentscheidungshilfe ist trotz aller Bemühungen natürlich ganz und gar nicht perfekt. Aber wir hoffen, damit substanzielle Verbesserungen eingebaut zu haben. Es ist der Versuch, der Komplexität der Welt ins Auge zu sehen und nicht am falschen Ende zu vereinfachen. Über, vor allem konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge freuen wir uns sehr und werden dann versuchen, diese für die nächsten Wahlen zu berücksichtigen.